Erste islamische Fahrzeugversicherung kommt gut an

London (BZZ) – Zuerst wurden islamische Girokonten angeboten, dann Hypothe­ken und Anlagefonds, soeben ist die erste Kfz-Versicherung geschaffen worden, die dem islamischen Gesetz, der Scha´ria entsprechen soll. Es sind vor allem die britischen  Muslime, die eine solche Entwicklung seit Jahren fordern und die jedes neue islamische Finanzinstrument begrüssen. Die britische Regierung hat durch die Anpassung von Gesetzen Islamic Finance wettbewerbsfähig und London zum zweitgrößten Finanz­platz für Islamic Banking in der westlichen Welt gemacht.

Für zwei Millionen britische Muslime ist nun die Möglichkeit geschaffen worden, dass sie sogar den Versicherungsschutz für ihr Fahrzeug in Einklang mit ihrem Glauben bringen können. Ähnlich wie die islamischen Banken in Großbritannien hat die neue Autoversicherung , die „Salaam Halal Insurance“, aber auch jene nicht-muslimi­schen Kunden im Auge, die im Rahmen der Finanzkrise den konventionellen Ver­si­cherungen weniger denn je vertrauen wollen.  Die neue Versicherungsgesellschaft verspricht ihren Kunden  nicht nur ethisch verantwortliches Handeln, sie funktio­niert auf der Basis einer Genos­sen­schaft auch anders als konventionelle Versiche­rungsgesellschaften. Üblicherweise wird bei einer Versicherung das Risiko des Versicherungsnehmers an den Ver­siche­rer übertragen. Eine islamkonforme Versicherung, die „halal“ (erlaubt) ist, darf mit reinem Zufall und damit mit Glücksspiel nichts zu tun haben, vielmehr muss jeder  Versicherte sowohl die Schäden als auch etwaigen Überschuss mit allen anderen Versicherten teilen.

Bei der neuen islamischen KFZ-Versicherung zahlen die Teilnehmer, d.h. die Mit­glieder der Genossenschaft, für ihr versichertes Motofahrzeug nicht die üblichen  Prämien,  sondern sie kaufen sich mit Beiträgen ein. Diese Beiträge bemessen sich nach zwei versicherungsmathematischen Kriterien: das vermutete individuelle Risiko und die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Risiko eintritt und von der genossen­schaftlichen Versicherung bezahlt werden muss. Alle eingezahlten Beiträge werden in einen sogenannten „Takaful Fonds“ investiert, der von einem Scha´ria-Über­wachungsauschuss, der sich aus der Scharia-Gelehrten zusammensetzt, streng kontrolliert wird. Die Fondsmanager haben sich strikt an die Regeln des Islamic Finance zu halten, wie sie beispielsweise auch für die an der Börse gehandelten Werte festgelegt sind, die im „Dow Jones Islamic Market Index“ (DJIM) gelistet werden. Es sind offensichtlich diese Über­wachungsgremien, die islamische Fonds davor geschützt haben, Opfer von risikofreudigen Fondsmanagern und „Abzockern“ zu werden. „Takaful“ wird heute als erlaubtes Konzept für islamische Versicherungen betrachtet, welches in ver­schie­denen Formen bereits vor 1400 Jahren praktiziert worden ist. Fast alle muslimi­schen Rechtsgelehrten anerkennen, dass die Grund­lagen der „geteilten Verantwor­tung“, d.h. einer „Versicherung auf Gegenseitigkeit“, in einem System der soge­nann­ten „aqulia“ bereits zwischen den Muslimen der Frühzeit in Mekka und Medina geschaffen worden und mithin auch vom Propheten Mohammed  genehmigt worden waren.

Attraktiv erscheint die Form der  Rückvergütung, denn sie erfolgt für alle Versicher­ten als „Discount-Prämie“, zusätzlich zu einem Schadenfreiheits-Bonus für jene, die keinen Schaden verursacht haben. Sobald der Fonds der KFZ-Versicherung die Zahlungen von anerkannten For­de­run­gen abgeschlossen hat, wird der Überschuss errechnet. „Die ethische Natur von dem, was wir tun, ist bislang einzigartig“, sagt Bradley Brandon-Cross, der Geschäftsführer von „Salaam Halal Insurance. „Es ist ein transparentes Verfahren und die Möglichkeit, von den Prämien etwas wieder zu bekommen ist für alle Kunden attraktiv, seien sie Muslime oder Nicht-Muslime.“ Es gibt freilich keine Garantie dafür, dass ein Überschuss erwirtschaftet werden kann und somit Geld zu verteilen ist.

Kfz-Versicherungen in Großbritannien haben in den vergangenen Jahren immer öfter Verluste eingefahren: 267 Mio. GBP anno 2007 und 204 Mio. GBP in 2006. Sollte „Saalam Halal“ in schlechten Jahren mit den Beiträgen die Forderungen an seine Versicherten nicht bezahlen können, so müssen die Aktionäre des Unter­nehmens Geld zuschießen. Die Aktionäre bekommen in Zeiten des Gewinns diese Einlagen wieder zurück. Das freilich kann die Attraktivität der Versicherung ge­fährden, denn auch in Jahren mit Überschuss gäbe es kein oder nur wenig Rück­prämien für die Teilnehmer der Versicherung, da zunächst die Verpflichtungen gegenüber den Aktionären zu erfüllen wären.

Da die Scha´ria das Einnehmen von Zinsen verbietet und eine Standard-Ver­si­che­rung gemäß islamischer Rechtssprechung unter das Verbot des Glücksspiels fällt, galt es lange als nahezu unmöglich, im modernen Geschäftsleben von heute eine islamkonforme Versicherung zu etablieren. Die islamische Versicherung ist deshalb das jüngste und das schwächste der islamischen Finanzprodukte, was auch für Großbritannien gilt. In den vergangenen Wochen haben Preisvergleiche im Internet, vor allem im „moneysupermarket.com“, die „Salaam Halal’s Motor Insurance“ bei den Briten bekannt und beliebt gemacht. „Wer in der Finanzkrise für sein geliebtes Auto sparen muss, der kennt keine Vorurteile gegen den Islam mehr“, meinte ein britischer Journalist. Die Kfz-Versicherungsmanagerin Kaye Pimblett sagte der Zeitung „Independent“, innerhalb der ersten sieben Tage im Internet habe die neue Versicherung 37000 Anfragen erhalten und sei damit zu den drei begehrtesten Motofahrzeugversicherern im Land aufgestiegen.

„Salaam Halal“ plant bereits eine neue scha´riakonforme Versicherung, diesmal für Gebäude und Hausrat. Die Lloyds Bank, Pionier bei Produkten von Islamic Finance in Großbritannien, ist nicht überrascht über die Popularität der neuen Versicherung. Emile Abu-Shakra, ein Sprecher der Bank:“Wir haben 2005 einige islamische Finanzprodukte versuchsweise in fünf Niederlassungen angeboten und schon ein Jahr darauf haben wir sie in allen 2000 Filialen eingeführt“.

2009-02-17/01