Das wissen nur wenige Reiseexperten: Fast jeder dritte Kunde von islamkonformen deutschen Reisebüros ist ein Nicht-Muslim! Vor allem Frauen und Familien buchen Halal-Reisen und das Geschäft boomt. Im September öffnete sich ein weiteres Reiseland mit traumhaften Stränden: Saudi-Arabien. Die boomende Entwicklung von Halal-Reisen wird auch ein Thema auf der HALAL HANNOVER sein, die erstmals vom 6. bis 8. März 2020 veranstaltet wird.
Mallorca ist der Deutschen liebstes Urlaubsziel, führend bei Fernreisen ist Thailand. Wer denkt da schon an die rund 100 000 nichtmuslimischen Reisenden, die sich gerne in Ruhe, ohne Trubel und lärmendes Nachtleben erholen möchten. „Genießen Sie einen konservativen Urlaub mit Ihrer Familie“, bewirbt die Reiseagentur Suaytour mit Hauptsitz in München diese Zielgruppe.
Suaytour bedient 3 500 Agenturen in sechs Ländern und betreibt sogar für die 18 Millionen Muslime in Russland eine Niederlassung in Moskau. Der Umsatz des Unternehmens beträgt bereits 40 Millionen Euro. Feyruz Dursun, CEO von Suaytour, sagt, er habe keine Absatzprobleme, aber zu wenig Hotels und Flieger und es gäbe zu wenig Investoren. Er setzt auf „Mund-zu-Mund-Werbung“ und auf Messeauftritte.
Das durch das Internetmarketing bekannte „HalalBooking.com“ in London ist Marktführer bei islamkonformen Reisen in Europa. Dort sind die Deutschen nach den Briten und Franzosen die drittgrößte Gruppe der Reisenden. Marketing-Fachfrau Rebecca Widrig, bei „HalalBooking.com“ zuständig für das deutschsprachige Europa, sagt: „Nicht-Muslime buchen auch über unsere Plattform, insbesondere, weil ihnen die frauenfreundlichen oder familienfreundlichen Anlagen gefallen. Viele möchten gerne einen Urlaub in einer ruhigen und privaten Umgebung verbringen. Auf Nicht-Muslime zielen unsere Marketingaktivitäten noch nicht, doch es gibt auch von dieser Gruppe Buchungen, weil sie unsere Betreuung schätzen.“
Suaytour nennt konkrete Zahlen. 16 Prozent der Kunden seien wertebewusste Nicht-Muslime. Weitere vier Prozent seien Freunde von Deutschtürken, die einmal probieren wollen, wie es sich in einem Halal-Hotel in der Region Antalya lebt. Noch höher schätzt Recep Aydin vom Reisebüro KAM 2000 in Duisburg die Zahl seiner nicht muslimischen Kunden, meist wohnhaft in Nordrhein-Westfalen. Es seien knapp 30 Prozent mit steigender Tendenz.
Inzwischen wird kooperiert. So vertreibt KAM 2000 auch Angebote von HalalBooking.com. Diese Reiseplattform hat wiederum mit der in Deutschland tätigen islamkonformen KT Bank (Frankfurt, Köln, Berlin, Mannheim) eine Vereinbarung abgeschlossen: Für deren Kreditkarten werden Ermäßigungen von bis zu 20 Prozent auf die von HalalBooking.com angebotenen Unterkünfte gewährt. Auch mit Turkish Airlines (THY) kooperiert die KT Bank und bietet für deren Tickets Ratenzahlungen an.
Auch außerhalb der islamisch geprägten Länder gibt es Halal-Hotels. Sogar auf „Malle“. Als aktuelle Angebote nennt Rebecca Widrig von HalalBooking.com ein kinderfreies (+14) und reines Frauenhotel mit ausschließlich weiblichem Personal auf Mallorca. Oder ein Resort, das ebenfalls nur für weibliche Gäste zugänglich ist. In Finnland gibt es sogar eine private Urlaubsinsel, die ausschließlich für Frauen zugänglich ist: „Super She Island“.
Wichtig sei den Gästen auch, dass grundsätzlich im Bade-Bereich, bzw. in den Bereichen, in die sich Frauen ohne Kopftuch oder in Badekleidung begeben, in kontrollierter Art und Weise auf Smartphones verzichtet wird. Denn wenn Gäste Fotos und Videos von ihrem Aufenthalt im Hotel machen, könnten diese auch auf sozialen Medien landen.
Vor einigen Jahren hat HalalBooking.com auf seiner Website eine Filterfunktion eingeführt. Kunden können ihre Suche je nach Verfügbarkeit von Pool, Strand- und Wellnesseinrichtungen nach „nur für Frauen“, „Halal-Speisen“ oder „kein Alkohol“ filtern, um sich somit das Ausmaß an Halal-Freundlichkeit auszusuchen und den Urlaub je nach individuellen Ansprüchen zu buchen.
Die Auswüchse des Tourismus auf den Balearen-Inseln und in Thailand sind ein Grund, warum sich vermehrt Urlauber vom Mainstream-Tourismus abwenden. Andererseits werden neue Ziele gesucht, denn die Deutschen sind Reiseweltmeister. Ab sofort kommt ein Reiseland hinzu, das bisher schwer zu erreichen war: Saudi-Arabien führte im September für die EU-Bürger das elektronische Visum ein. Verständlicherweise gibt es für Reisen in das arabische Königreich nur wenige erfahrene Reise¬agenturen und diese organisierten bisher Halal- und Pilgerreisen wie etwa die Balçok Travel Agency in Essen.
Mit über zehn Mitarbeitern kümmert sich Ahlam Abdal, Chef des Familienunternehmens, seit 35 Jahren um Pilger, die aus Deutschland zu den für alle Muslime heiligen Stätten Mekka und Medina reisen. Alle Reisenden werden individuell beraten, es gibt für die Reisen sowohl eine Frauenbeauftragte als auch Kinderbetreuung. Wenn ab sofort eVisa vergeben werden, können auch Nichtmuslime von dem Fachwissen von Balçok profitieren. In Saudi-Arabien locken noch unentdeckte Paradiese für Badegäste und Taucher. Die Balçok Travel Agency wird auf der HALAL HANNOVER als Aussteller vertreten sein.
Wie verändern muslimische Reisende den Tourismus? Dieser Frage geht unter anderem die Konferenz im Rahmen der HALAL HANNOVER nach. Denn die Tourismusindustrie stellt sich immer mehr auf den weltweit wachsenden Halal-Tourismus ein – auch in Deutschland.
Die HALAL HANNOVER bietet der Halal-Industrie vom 6. bis 8. März eine neue Plattform für den geschäftlichen und fachlichen Austausch. Bei der Erstveranstaltung wird sich alles um halal-konforme Lebensmittel, Getränke, Kosmetikprodukte und Reisen drehen. Ein internationales Konferenzprogramm und eine gastronomische Sonderfläche runden die Veranstaltung ab. Die dreitägige Veranstaltung ist am Messe-Samstag und -Sonntag auch für Endverbraucher geöffnet.