Am Golf sind die fetten Jahre vorbei

Dubai (dpa) – In der westlichen Welt spricht man vom Gürtel, der in Krisenzeiten enger geschnallt werden muss. Auf die Investoren, Fondsmanager und Firmeninhaber der arabischen Golfstaaten traf dies bisher nicht zu. Denn zum einen trägt man in Riad, Dubai, Doha und Manama zum traditionellen Männergewand nie Gürtel. Und zweitens haben diese Staaten – im Gegensatz zum Iran und Irak – trotz sinkender Ölpreise und Hiobsbotschaften von den Börsen immer noch ein Finanzpolster. Dennoch zeigt sich: Die fetten Jahre, in denen sich die Golfstaaten gigantische Infrastrukturprojekte und eine weitgehende unproduktive Erwerbsbevölkerung leisten konnten, neigen sich dem Ende zu.

Vor allem in der Immobilienbranche, wo die Preise, Gewinne und Kurse in den vergangenen zwei Jahren astronomische Höhen erreicht hatten, setzt Ernüchterung ein. In Dubai hat Damac, die größte private Immobilienentwicklungsgesellschaft des Emirates, den Abbau von 200 Arbeitsplätzen angekündigt. Der Aktienkurs des Immobilienkonzerns Emaar Properties – der derzeit unter anderem das höchste Haus der Welt (Burj Dubai) baut – fiel diese Woche so tief wie seit vier Jahren nicht mehr. An den Börsen ist man nervös: In Kuwait wurde der Handelsplatz am Donnerstag per Gerichtsbeschluss geschlossen, um den Sinkflug der Kurse zu stoppen. Wann der Handel wieder beginnen soll, ist noch unklar, möglicherweise an diesem Sonntag oder Montag.

Die islamischen Banken sind von den Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten dagegen bisher weitgehend verschont geblieben. Denn im Gegensatz zu anderen Instituten investieren diese Banken, die sich am islamischen Recht («Scharia») orientieren, nur in die «reale Wirtschaft». Derivate und andere spekulative Anlageformen sind tabu. Von den riskanten Immobilienkrediten in den USA waren die islamischen Banken, die vor allem in Malaysia, Saudi-Arabien, Dubai, Kuwait und Bahrain gute Geschäfte machen, nicht betroffen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres konnten mehrere dieser Institute deshalb sogar zweistellige Gewinnsteigerungen verzeichnen.

Die Tochtergesellschaft «Al-Islami» der Katar Nationalbank (QNB) verkündete sogar eine Steigerung des Nettogewinns um 148 Prozent auf rund 151 Millionen katarische Rial (rund 32,7 Mio Euro). Allerdings werden auch die islamischen Banken betroffen sein, wenn die Finanzkrise auf die Realwirtschaft übergreift und auch die Industrie, das Baugewerbe und den Dienstleistungssektor erfasst.

Allgemein wird deshalb ein Gegensteuern der Staaten verlangt. Ein Kommentator der arabischen Tageszeitung «Al-Sharq Al-Awsat» erklärte, die Krise sei ein Weckruf für die arabischen Volkswirtschaften. Er rief die Herrscher am Golf auf, den Sturzflug des Preises für OPEC-Öl – der im Juli über 140 Dollar pro Barrel erreicht hatte und nun unter 50 Dollar liegt – nicht als Krise, sondern als Chance für einen Neuanfang zu begreifen. Sein Argument: Der niedrigere Ölpreis werde die Golfstaaten zwingen, endlich auch in ihr «Humankapital» zu investieren, was wegen des langfristig zu erwartenden Versiegens der Ölquellen ohnehin notwendig sei. Mit anderen Worten: Die Golfaraber sollten von passiven Investoren zu Forschern und Produzenten werden.

Das Beispiel des staatlichen Beschäftigungsprogrammes von Saudi- Arabien, das ausländische Unternehmen verpflichtet, eine Mindestzahl von Einheimischen zu beschäftigen, zeigt aber, dass die Erhöhung der Produktivität mitunter nicht einfach ist. «Viele der Saudis, die wir anstellen mussten, erscheinen kaum oder gar nicht zur Arbeit, wir müssen sie aber weiter bezahlen», klagt der Manager eines deutschen Konzerns.

Quelle: Islamische Zeitung, Berlin

2008-11-14